design akademie berlin – SRH Hochschule für Kommunikation und Design: kurz „dab“
Im Herbst 2011 klingelte bei mir das Telefon. Holger Zumholz war am anderen Ende. Wir kannten uns über die HWR Berlin, an der ich mit ihm zusammen seit 2010 als Lehrbeauftragter im Bereich Entrepreneurship tätig war und uns dort Prof. Dr. Birgit Felden zusammengeführt hat. Er fragte mich, ob ich die design akademie berlin, die „dab“ kennen würde. Er sei dort inzwischen mit einer Professur betraut und die Hochschule bräuchte gerade dringend vor dem startenden neuen Wintersemester die Besetzung einer Vertretungsprofessur.
1. Beginn der Lehrtätigkeit an der design akademie berlin
Im Oktober 2011 stand ich nun als Vertretungsprofessor vor Gruppen von Studierenden in den Bachelor- und Masterstudiengängen der Marketingkommunikation und vertrat die Professur für Betriebswirtschaft und Marketing. Puh. Mit der Lehrerfahrung bei der Universität Flensburg, wo ich seit 2008 den Kurs „Spielend Lernen“ für Lehramtsstudierende mit einem Lehrauftrag unterrichtet hatte und meinem Kurs an der HWR Berlin für Start-Up-Unternehmen, sprang ich nun in den regulären Hochschulbetrieb. Ich hatte noch kein Konzept und musste mich sehr spontan in vielfältige Themen reinarbeiten. Ja, ich kann sagen, in manchen Fächern war ich in meinem ersten Lehrsemester den Studierenden manchmal nur eine Stunde im Curriculum voraus. Das führte dazu, dass ich zahlreiche Stunden mit Anekdoten und Beispielen aus meinem unternehmerischen Dasein von Verlag, Internetagentur, Mobile- und Spielefirma gefüllt habe, bis hin zum Improtheater. Anscheinend kam gerade dies bei der Zuhörerschaft als „praxisorientiert“ sehr gut an.
Die dab hatte in Berlin-Kreuzberg in zwei Hinterhöfen Gebäude (Liegnitzer Str. 15 und Ecker Reichenberger Straße) angemietet und wurde 2007 aus einer ehemaligen Berufsfachschule zur staatlich, vom Berliner Wissenschaftssenat anerkannten, Hochschule mit zwei Studiengängen, Kommunikationsdesign und Marketingkommunikation, weiterentwickelt.
Um in Fußnähe zur Hochschule wohnen zu können, nahm ich mir ein Zimmer in der Görlitzer Straße mit direktem Blick auf den Görli, den Görlitzer Park. Als Flensburger in einer neuen Großstadt nichts Böses ahnend, geriet ich so mit meinem Wohnsitz exakt an einen der Hauptdrogenumschlagsplätze in Berlin. Jeden Morgen ging ich zu Fuß an zahlreichen, zumeist afrikanischen Drogenhändlern nett grüßend vorbei. Irgendwann wussten auch die meisten, dass sie mit mir keinen Umsatz machen können, fragten nicht mehr, ob ich was brauchen würde und grüßten nur noch freundlich zurück.
Die Planer des Parks hatten mitten durch die Anlage einen asphaltierten Weg legen lassen, den niemand brauchte. So wie ich, gingen die meisten Menschen über einen immer größer werdenden Trampelpfad quer über die Wiese von der Görlitzer Straße zur Wiener Straße. Dieses Symbolbild für die theoriegetriebene Projektplanung und das folgende realistische, messbare menschliche Verhalten wurde zu einem tragenden Element in meinen Vorlesungen, weil auch zahlreiche Studierenden diesen Weg von der U-Bahn-Station der U1, Schlesisches Tor, zur Hochschule nehmen mussten. Jeder verstand sofort die Notwendigkeit, Theorie und Praxis besser miteindander in Einklang zu bringen.
2. Umzug ins Aufbauhaus am Moritzplatz in Berlin-Kreuzberg
Ende 2014 war es soweit. Der neue Anbau in der Prinzenstraße 84, 85 des Aufbauhauses war fertig und die Hochschule konnte endlich „vereint“ aus zwei Hinterhofstandorten an einen zentral gelegenen, an die U8 angebundenen, Moritzplatz in ein modernes Haus mit eigenem Film- und Fotostudio umziehen. Die Kernstudiengänge waren die auf Kreativität ausgelegten Kommunikationsdesign und Marketingkommunikation. Illustration und Web-Development kamen langsam dazu. Unsere Rektorin und Semiotik-Expertin Prof. Dr. Dörte Schultze-Seehof sprach mich darauf an, dass so ein Professor wie ich an einer Hochschule nicht nur ständig in der Vorlesung klug schnacken darf, sondern dass er auch forschen sollte. Ach. Die nächste Akkreditierung der privaten Hochschule stand auf der Agenda und da sollte der Bewertungspunkt Forschung nicht leer bleiben. So kreiste bei mir ihre Frage, welches Thema mich denn zum Forschen interessieren würde, nicht lange im Kopf herum. Ich antwortet spontan: Spielen.
Meine Kindheit und Jugend habe ich neben Comics und Cartoons mit Brett- und Kartenspielen verbracht. Durch die Ausbildung zum Verlagskaufmann bei der SpielBox, dem Fachmagazin für Brett- und Gesellschaftsspiele, befasst ich mich sozusagen beruflich seit 1983 mit Spielen. Mit meiner Gründung des Comicverlages Flying Kiwi in Bonn 1986, später auch mit Kim Schmidt ab 1988 zusammen sowie mit der Gründung der Internet-Agentur Ticcon 1999 in Schleswig-Holstein waren auch immer Spiele ein Thema, was dann 2006 zur Gründung der Mediatrust führte und den Betrieb des Webportals www.spielen.de mit über 17.000 Browser-, Flash- und damit Casual-Games in der Datenbank. Unternehmerisch und privat waren mir Spiele und Games als Kulturgut und wichtiges Medium sehr geläufig. Mein sozial- und wirtschaftswissenschaftliches Studium hätte ich ohne Elite (1984), Out Run (1986), den Bundesliga Manager (1989), Harpoon (1989), Railroad Tycoon (1990), Wing Commander (1990), Der Patrizier (1992), Myst (1993) etc. nicht meistern können.
In 2013 hatte Eric Zimmerman (*1969) als US-amerikanischer Game Designer das Manifest für ein ludisches Jahrhundert verfasst. Dem konnte ich uneingeschränkt zustimmen. Aber warum gab es in Deutschland noch kein Institut für Ludologie? Wieso forscht anscheinend noch niemand gezielt in der Disziplin Spielwissenschaften? Das Buch Homo ludens von Johan Huiznga kannte ich aus meiner Ausbildung aus den 1980ern. Ich recherchierte kurz im Internet, stieß nur auf das Institut für Spielforschung in Salzburg, Österreich, das sich hauptsächlich mit historischen, analogen Spielen und den Kunstformen dazu auseinandersetzt. Konnte es wirklich sein, dass es nicht viel mehr Forschung gibt? Tja, da war sie, die Forschungslücke, die ich mit Leidenschaft ausfüllen wollte. Ein bestehendes Institut, welches das Urpänomen der Natur, des Lebens und des Menschseins erforscht und sich ebenso wissenschaftlich mit den Ausprägungen von analogen und digitalen Spielen befasst, konnte ich nicht finden. Skurril, dachte ich. So gründete ich das Institut für Ludologie 2014 in Berlin. Wir zogen dann im Rahmen der Hochschule design-akademie-berlin in den ersten Stock im Aufbau Haus mit ein, mit Blick auf die Oranienstraße. Als Startprojekt begannen wir mit der vom BMBF geförderten Fragestellung, was Start-Up-Unternehmen von Game-Entwicklern lernen könnten? Akronym: LudoLeist (2014-2018). Ein für die dynamische Start-Up-Szene in Berlin hoffentlich hilfreicher Ansatzpunkt.
Zum ersten Forschungsteam als wissenschaftliche Mitarbeiter gehörten Stefanie Talaska, Jonas Vossler und Steffen Tröger. Steffen hatte für den Deutschen Start-Up-Verband an der Hochschule für Wirtschaft und Recht zusammen mit Prof. Dr. Sven Ripsas vom EMF-Institut den jährlichen Start-Up-Monitor ein- und durchgeführt und hatte damit einen sehr guten Draht zu zahlreichen Gründerinnen und Gründern. Stefanie brachte ihre Erfahrung aus der sehr fordernden politischen Kommunikation und den damit verbundenen Machtspielen mit ein und Jonas war aufgrund seines abgeschlossenen Masterstudiums für die internationalen Kontakte sowie das Thema Flow zuständig.
Zum Aufbau und zur folgenden Arbeit des Instituts für Ludologie schreibe ich dann ausführlicher an anderer Stelle mehr (HIER!). Aber ich habe es hier unter dem Hochschulthema der design-akademie erwähnt, weil für mich diese Forschungsarbeit die Grundlage für einen neuen Studiengang „Game Studies“ sein sollte, den es bisher in Deutschland noch nicht gab. Dieser wurde von uns zusammen konzipiert und umgesetzt und sollte 2018 starten. Ich gehe nicht in die Details. Nur kurz: Trotz ausreichender Bewerberinnen und Bewerber sowie weiterer Interessenten, trotz zahlreicher Firmen als Partner, die auf der Suche nach gut ausgebildeten Fachkräften im Bereich Games waren, „passte der Studiengang nicht zur Hochschule“, wie die SRH-Geschäftsführung entschied.
Die design-akademie-berlin GmbH als private Hochschule war inzwischen vom SRH-Konzern aus Heidelberg aufgekauft worden. Was blieb? Aus dem bisherigen In-Institut musste ich ein entsprechendes An-Institut formen, damit jedenfalls die Forschungsprojekte ohne hinderlichen Verwaltungseinfluss der Hochschule sicher weiterlaufen konnten. Parallel hatte ich an der Fusion der damals noch bestehenden zwei Game-Branchenverbände BIU und GAME als jeweiliges Mitglied und Unterstützer mitgewirkt, der am 29.01.2018 als game – Bundesverband der deutschen Games-Branche e.V. in Berlin entstanden ist, um für Deutschland (endlich) eine neue richtungsweisende politisch relevante Games-Strategie entwickeln zu können. Jetzt irrelvant für die Hochschule am Standort Berlin.
Ludologische Lehrinhalte habe ich ab 2018 als Halbtags-Prof in die verschiedenen Studiengänge zart mit unterbringen können (vor allem bei Web-Dev, aber auch in VWL…), einige wenige Game-Studies-Inhalte konnte ich darüber hinaus im bestehenden Studiengang Game Design an der SRH Heidelberg einfließen lassen.
3. Umzug der SRH nach Berlin-Neukölln in die Sonnenallee
Die SRH Heidelberg hatte sich auf ihrem Expansionskurs in den 2010er-Jahren drei Hochschulen in Berlin eingekauft, zwei mit für Berlin attraktiven Kreativstudiengängen, die design-akademie-berlin (dab) am Moritzplatz in Berlin-Kreuzberg und die Hochschule der populrären Künste (hdpk) am Kleistpark in Berlin-Schöneberg und davor die Management-Hochschule am Ernst-Reuter-Platz in Berlin-Charlottenburg-Wilmersdorf, gleich um die Ecke von der TU Berlin. Die Idee, alle drei Hochschulen an einem Berliner Campus zu bündeln, kam sobald in Heidelberg auf und die drei Hochschulen fingen im Vorwege eines Bauprojektes an, sich inhaltlich und personell zu vernetzen. Ein neues Bauprojekt in Berlin in der angedachten Größenordnung für drei sehr spezielle Hochschulen ist ein Mamutprojekt.
Darüber hinaus fing die SRH Berlin University of Applied Sciences 2023 zusammen mit der SRH Hochschule Heidelberg an, einen Change- und Fusionsprozess auf Bundesebene zu initiieren. Die mehrjährige Bauplanung zur Fusionierung der drei Berliner Standorte vom Moritzplatz (BSDC), dem Kleistpark (SOPA) und dem Ernst-Reuter-Platz (HSBE) ging dem voraus. Der neue Standort ist nun ab Wintersemester 2024/25 in Berlin-Neukölln in der Sonnenallee (s. Foto, das Gebäude im Hintergrund). Parallel dazu findet der bundesweite Fusionsprozess neben den verwaltungstechnischen Herausforderungen ebenso auf der akademischen Seite statt.
Auch wenn dunkle Wolken am privaten Hochschulmarkt aufziehen, soll durch die Zusammenlegung sämtlicher SRH-Hochschulangebote und eine gezielte Internationalisierungsstrategie der Wachstumspfad weiterhin beschritten werden. Was dies für ludologische Lehr- und Forschungsinhalte im Rahmen der SRH zukünftig bedeutet, ist noch nicht abzusehen. Mit dem Umzug vom Moritzplatz in die Sonnenallee wird auf jeden Fall die vorher bestehende dab-Kultur endgültig der Geschichte angehören.