Nach meiner Ausbildung zum Verlagskaufmann in Bonn begann ich meine wissenschaftliche Laufbahn mit einem Studium der Volkswirtschaftslehre an der Universität zu Köln 1987. Angereichert habe ich diese rationalen Inhalte mit dem Besuch des Philosophikums gegenüber und dem Besuch von Vorlesungen im Fach Geschichte (mehr dazu im „Fragebogen“, s. 3. Jens Junge in Köln). Nach den verlockenden Schilderungen der Studienzustände aus Flensburg durch Heiko Egehave setzte ich ab 1990 an Universität und Hochschule Flensburg ein Studium der Betriebswirtschaftslehre fort .
Universität und Hochschule Flensburg waren Anfang der 90er-Jahre noch im Aufbau. Aus der Pädagogischen Hochschule entstand die „Bildungswissenschaftliche Hochschule Flensburg – Universität“ (BU Flensburg, 1992), bis daraus die Universität Flensburg und die heutige Europa-Universität Flensburg wurde.
Paralle dazu entstand die Hochschule Flensburg, sie startete 1875 als „Navigationsschule“, die 1886 zur königlichen „Seedampf-Maschinistenschule“ wurde. Bis heute setzt sich diese Tradition mit dem Studiengang „Schiffsbetriebstechnik“ fort. Erst 1985 kam der Fachbereich Wirtschaft mit den Studiengängen Betriebswirtschaftslehre und Wirtschaftsinformatik neu dazu. Ich war dabei. Liebevoll nannten wir die Techniker der anderen Fakultät „Schipper“.
Im BWL-Studium wählte ich Marketing zu meinem Schwerpunktthema. Dort hat mich besonders Prof. Dr. Wolfgang Linker mit seinem vielfältigen und engagiert vorgetragenen Vorlesungen, die weit über den Tellerrand der BWL hinaus blickten, am meisten beeindruckt. Als Student saß ich den Probevorlesungen von Dr. Werner Schurawitzki und Dr. Peter Oleker, die anschließend zu Professoren berufen wurden.
Universität und Hochschule Flensburg – zwei Hochschulen an einem Standort
Als Diplom-Betriebswirt schloss ich das FH-Studium am 29. Januar 1993 an meinem 29. Geburtstag ab. Die nachvollziehbaren Freudentänze auf dem wunderschöne Abschlussball fanden in der Gaststätte in der Marienhölzung statt. Aber sollte das alles gewesen sein? Mit meiner Diplomarbeit zur Werbewirkung bei Professor Linker bin ich zart in die spannenden Themenbereiche von Psychologie, Philosophie und Pädagogik eingestiegen. Ich hatte bei Werner Kröber-Riel in der Konsumentenforschung von den zahlreichen Einflussfaktoren auf das menschliche Verhalten, speziell das Kaufverhalten, erfahren und wie entscheidend „Einstellungen“ sein können.
Wie schwierig und herausfordernd ist es, die oft unbewussten Einstellungen, Normen, Werte und Glaubenssätze von Menschen zu verändern, dies hatte ich in dem Buch von Robert Dilts erfahren: „Identität, Glaubenssysteme und Gesundheit“ (1993). Dilts war ein Schüler vom Psychotherapeuten und Hypnosespezialisten Milton H. Erickson (1901-1980) und vom Anthropologen, Biologen und Sozialwissenschaftler Gregory Bateson (1904-1980) mit seinen bekannten Kommunikations- und Lerntheorien. Das Thema der menschlichen Veränderungsebenen interessierte mich brennend.
Flensburg ist gar keine renomierte, alteingesessene Universitätsstadt. Die Chance dazu hatte sie ab 1652 verspielt, als der schleswig-holsteinische Herzog letztendlich das Universitätsrecht 1665 lieber nach Kiel vergab. Jetzt existierten in den 1990ern Universität und Hochschule Flensburg an einem Standort und beide waren noch arg jung, jeweils mit einem wirtschaftswissenschaftlichen Zweig. Fusionsgespräche sind kontinuierlich gescheitert. Eine irgendwie geartete Zusammenarbeit wurde kategorisch abgelehnt. Die Universität mit ihrem Promotionsrecht glaubte sich auf einem viel höheren wissenschaftlichen Niveau und die Fachhochschule war zahlenmäßig und ökonomisch der kleinen Universität weit überlegen.
Vom Studium zur Dissertation – von der FH zur Uni
Mit meinen Beratungsprojekten für die Schleswig-Holsteinische Landesregierung ab 1992 bekam ich direkt vor Ort in Kiel mit, wie sich die Hochschulpolitik veränderte. In anderen Bundesländern war es für gute Fachhochschüler schon möglich, eine Promotion anzustreben. Ich hatte rund um die Veränderungsebenen zahlreiche weitere Theorien identifiziert, beschäftigte mich ausführlich mit Sozial- und Systemtheorie. In mir brannte das Interesse, mich weiter vertiefend mit einer Dissertaion diesem Thema zu widmen.
Sofort nach dem Landtagsbeschluss bin ich zum Prüfungsamt und zum Promotionsausschussvorsitzenden der Uni Flensburg, habe mich dort als ersten Fachhochschüler „von nebenan“ vorgestellt, der aufgrund der neuen Rechtslage promovieren möchte. Natürlich musste die Promotionsordnung nach den neuen Bedingungen erst einmal angepasst werden und Hürden formuliert werden, die es Fachhochschülern nicht sofort ermöglichen sollten, loszulegen. Um eine „adäquate universitäre Leistungsebene“ zu erreichen, hatte ich noch ein Semster lang an der Universität Flensburg zu studieren, bevor ich eine Promotion hätte anmelden dürfen.
Inzwischen war ich verheiratet und wir hatten unser erstes Kind. Ich war als Projektmanager der Technologie-Transfer-Zentrale Schleswig-Holstein (ttz SH) damit beschäftigt, die Landesregierung samt Ministerien mit ihren nachgeordneten Institutionen (Landespolizei, Denkmalpflege, Museumsamt, NordwestLotto) auf der Basis der Technologie rund um die Domain schleswig-holstein.de ins Internet zu befördern. Parallel schrieb ich mich als Student im Studiengang „International Management“ ein und begann mir Vorlesungen an der Universität anzuhören, mich nach einem passenden Doktorvater umzusehen. Ein Professor, der sich genau mit meinem Interessensgebiet auseinandersetze, fand ich nicht. Meine Wahl fiel trotzdem auf Prof. Dr. Rainer Brödel, einem Experten für Erwachsenenbildung und Weiterbildung.
Zwei Anläufe zur Dissertation
Professor Brödel stimmte zu, mit mir ein Promotionsverfahren loszutreten. Brav besuchte ich die Kurse seines Assistenten und wissenschaftlichen Mitarbeiters Dr. Wolfgang Jütte, der schon damals sehr professual verwirrt wirkte, wenn er mit Pullovern erschien, die er falsch herum angezogen hatte (seit 2009 ist er Professor für Weiterbildung an der Uni Bielefeld). Mit Professor Brödel hatte ich Thema und Gliederung meiner Dissertation abgestimmt, nach über 100 Seiten Text erfuhr ich im Jahre 2000 beiläufig, dass er die Uni Flensburg verlassen hatte. So wie viele Wissenschaftler benutzte er seine Stelle im Norden als Sprungbrett für eine ihm angenehmere Stelle an einer größeren und älteren Universität im westfälischen Münster.
Ein neuer Doktorvater, ein neues Thema und eine neue Gliederung mussten her. Gerade neu an die Uni Flensburg berufen, kam Prof. Dr. Wenzel Matiaske auf den Lehrstuhl Allgemeine Betriebswirtschaftslehre insb. Personal und Organisation. Mit ihm konnte ich in seinen regelmäßig stattfindenden Doktorandenseminaren ein Thema mit neuer Gleiderung umreißen und loslegen: „Unternehmenserfolg und Mitarbeiterverantwortung: Ein tauschtheoretisch basiertes, erfolgsorientiertes Vergütungskonzept“. Über die Auseinandersetzung mit der Sozialtheorie von James S. Coleman (1926-1995) schlugen wir gemeinsam die Brücke für die zahlreichen Themen, die mich systemtheoretisch interessierten, Stichwort „Coleman’sche Badewanne“: Die Analyse sozialer Systeme muss von der Markoebene auf die Mikroebene heruntergebrochen werden und dann erst wieder über eine Meso- zur Makroebene zurückführen. Kollektivmerkmale sind über Kontexthypothesen auf die Individualmerkmale einzelner Akteure herunterzubrechen und über Individualhypothesen zu den Invidualmerkmalen des Handelns zu überführen, um damit über Aggregationsregeln zu Aggregratmerkmalen eines Kollektivs zu kommen. Erst über diesen Weg ließen sich für soziale Systeme Kollektivhypothesen valide formulieren.
Coleman gilt als Vertreter des methologischen Individualismus und der Theorie der raionalen Entscheidung. Gerade deshalb, weil ich an diese gedanklichen Wurzeln des „Homo oeconomicus“ heran wollte, um zu zeigen, wie Vertrauen, Soziales Kapital und Kulturfaktoren wirken, wie Normen, Glaubenssätze und Werte auch offensichtliches, irrationales Verhalten zulassen, habe ich mich auf dieses Thema gestürzt. Die Dissertation wurde damit zu einem wesentlichen Baustein meiner heutigen Annahme, dass das Menschenbild des „Homo ludens“ uns Menschen am besten beschreibt und erklärt.
Coleman verwendete die in zahlreichen Theorien übliche Dreitlung, um ein Austauschsystem zu beschreiben. In der Dissertation verdeutliche ich meine Position, dass die „Verfassung“ geistige Komponeten aufweist, Kulturfaktoren eine Rolle spielen, wir uns im Rahmen erfundener Ordnungen und regulativer Ideen bewegen, deren Absolutheitsanspruch nicht immer aufrecht erhalten werden kann. Zu den Aussagen der Dissertation und meiner weiteren wissenschaftlichen Themen an anderer Stelle mehr 🙂
Nach dem Abschluss meiner Promotion im Juni 2005 boten mir Universität und Hochschule Flensburg temporäre Anker für einige meiner Lehrinhalte.
Lehre an Universität und Hochschule Flensburg
Prof. Dr. Manfred Blohm, Institutssprecher des Instituts für Ästhetisch-Kulturelle Bildung (Abteilung „Kunst und visuelle Medien“) und Professor für Bildende Kunst holte mich ab 2008 für einen Lehrauftrag an die Uni Flensburg. Er hatte mitbekommen, dass ich mit dem Spiele-Portal spielen.de verbunden bin. Nichts liegt dort näher, als mich erzählen zu lassen, welche Spielprinzipien und Spielmechaniken Freude vermitteln und wie diese auf Lehrplaninhalte zu übertragen sind. Die Aufgabe für die Lehramtsstudierenden bestand darin, ihre zu vermittelnden Inhalte mithilfe eines Casualgamekonzeptes spielbar zu gestalten.
Schüler lernen sehr oft lieber spielend, indirekt, nebenbei. So hieß der Kurs auch „Spielend lernen“. In kleinen Arbeitsgruppen im Seminarstil enstanden auf diesem Wege zahlreiche Ideen für „Serious Games“. Mein Traum, irgendwann sämtliche Schulinhalte spielerisch aufzubreiten und für einen qualifizierten, differenzierten Schulunterricht digital aufbereiten zu können, erhielt motivierende Nahrung. Die gestalterische und progammiertechnische Umsetzung musste aus Ressourcengründen vorerst zurückgestellt werden. Die Domains playing-school.com oder schule-spielen.de mit adäquaten Inhalten füllen zu können, wird später weiter verfolgt.
Ab 2010 erfolgte mein Lehreinsatz in Berlin, weshalb ich nach vier Semestern von den Pädagogen an der Uni Flensburg zu den Gründern und Unternehmern an die HWR nach Berlin wechselte.
Obwohl ich ausreichend beschäftigt war, schaffte es Prof. Dr. Knut Hartmann als Game-Professor von der Hochschule Flensburg, mich ab Wintersemester 2013 wieder in Flensburg unterrichten zu lassen. Dieses Mal war die Aufgabenstellung, Medieninformatikstudenten, die ansonsten lieber Pixel schubsen oder coden wollten, „Digitale Geschäftsmodelle“ zu vermitteln, ihnen einen Hauch betriebswirtschaftliche Grundlagen nahe zu bringen. Da ich diesen Kurs im Block samstags anbieten konnte, passte es in meine Planungen hinein.
Pro Kurs hatten 60 bis 100 Studierende meine Veranstaltungen zu besuchen. Sie mal kurzzeitig mit theoretischen, konzeptionellen und methodischen Inhalten von die Bildschirmen abzulenken, war eine besondere Herausforderung. Ziel der Kurse war es, für eine neue (oder bestehende) Firma ein fundiertes und überzeugendes Pitchdeck in Gruppenarbeit zu erstellen.
Erwähnenswert ist noch, dass ein abgebrochener Lehramtsstudent aus meinem Kurs „Spielend lernen“ mir dann als Medieninformatikstudent bei den „Digitalen Geschäftsmodellen“ erneut über den Weg lief. Die Übergänge von Universität und Hochschule Flensburg sind zum Glück in all den Jahren fließender geworden… und irgendwie ist diese Stadt ein sehr liebenswertes Dorf. Auch wenn die Studierenden herrliche Gründungsideen präsentierten und ich viel positives Feedback erhalten habe, musste ich aufgrund meiner vermehrten Forschungsaktivitäten am Institut für Ludologie diesen Kurs nach vier Jahren ab Wintersemster 2017/18 einem Kollegen vor Ort in Flensburg übergeben.